Digitales Erbe – was passiert mit Domains, wenn der Inhaber verstirbt?
Sie denken, Sie hätten Ihren Nachlass komplett geregelt? Per klassischem Testament? Möglicherweise liegen Sie mit dieser Einschätzung falsch: Heutzutage gilt es bei der Sterbevorsorge weit mehr zu regeln als das Erbe materieller Dinge. Der digitale Nachlass nimmt einen steigenden Stellenwert ein. Und damit sind nicht nur Facebook, YouTube, Instagram und Co. gemeint. Insbesondere Domains können heute eine ernste Wertanlage sein, um deren Besitz sich Erben streiten.
Was bedeutet „digitaler Nachlass“?
Wenn ein Mensch stirbt, hinterlässt er heutzutage nicht ausschließlich materielle Wertgegenstände. Zu Wohneigentum, Schmuck oder Bargeld gesellen sich spätestens seit der Jahrtausendwende immer häufiger Dinge wie Onlineprofile in sozialen Netzwerken, Cryptowährung, E-Mail-Konten, Domains sowie Zugangsdaten zu diversen Online-Plattformen und Websites. In Zeiten zunehmender Digitalisierung des Alltags nimmt dieser digitale Nachlass weiter an Relevanz und Wertigkeit zu. Insbesondere das Influencer-Zeitalter hat Instagram-, YouTube- und Twitch-Accounts hervorgebracht, die ihren Besitzern zu Lebenszeiten teilweise Millioneneinnahmen generieren.
Während Influencer-Erfolge in der Regel an die Personen hinter den Accounts gebunden sind, gelten Domains als stabile und einfach zu übertragende Geldanlage. Denken Sie beispielsweise an PrivateJet.com, die mit 31,18 Millionen Euro bis heute teuerste jemals verkaufte Domain. Kurze und Ein-Wort-Domains wie WG.de oder Bad.de generierten bei ihren Verkäufen sechsstellige Euro-Beträge. Der Durchschnittspreis für .de-Domains lag 2018 bei 1.742 US-Dollar.
Heute ist es nicht mehr das verstaubte Silberbesteck auf dem Dachboden der verstorbenen Großeltern, das Erben elektrisiert. Vielmehr sind es kurze und prägnante Domainnamen, die irgendwo im digitalen Nachlass der Verwandtschaft schlummern.
Warum einige Domains heute so viel wert sind
Firmen ohne Internet-Auftritt sind heutzutage unvorstellbar. Hinzu kommen Privatpersonen, die sich, ihr Hobby oder andere Themen auf einer eigenen Website der Öffentlichkeit präsentieren. So gibt es heute auf der gesamten Welt über 1,94 Milliarden Websites. Und seit dieser Messung im Dezember 2018 sind sicher noch einige dazu gekommen.
Ebenso wenig verwunderlich: Bei mittlerweile mehr als 366 Millionen registrierten Domains wird die Auswahl an noch freien Domainnamen langsam knapp. Bereits im Dezember 2013 waren zum Beispiel sämtliche .com-Domains mit vier Buchstaben registriert. Damit sind tatsächlich alle 456.976 möglichen Kombinationen von aaaa.com über abcd.com bis zzzz.com gemeint. Domains mit drei oder zwei Buchstaben waren da schon lange ausverkauft.
Sie können sich sicher vorstellen, welchen Wert eine solche Domain hätte, würden Sie sie im Nachlass eines verstorbenen Angehörigen finden?
Wie ist das digitale Erbe in Deutschland gesetzlich geregelt?
Trotz Digitalisierung und weiter Verbreitung des Internets durch sämtliche Generationen und Gesellschaftsschichten haben Vererbende, Hinterbliebene und Staat den digitalen Nachlass jahrelang stiefmütterlich behandelt. Vielen Erben war im Angesicht der emotionalen Belastungen durch den Verlust eines geliebten Menschen selten bewusst, dass überhaupt ein digitales Erbe von Wert vorhanden sein könnte.
Es hat bis Mitte 2018 gedauert, bis zum Beispiel die Handhabung eines sozialen Netzwerkes beim Tod des Kontoinhabers in Deutschland höchstrichterlich geklärt wurde: Der Bundesgerichtshof entschied damals, dass der digitale Nachlass grundsätzlich genauso zu behandeln sei wie der analoge.
Bei Domains sah und sieht die Sache anders aus, da deren Besitz vertraglich geregelt und somit auch für digital unbedarfte Erben greifbar ist. Grundsätzlich gilt: Der Erbe des Domain-Inhabers übernimmt den bestehenden Vertrag und kann als neuer Eigentümer über die fragliche Domain verfügen. Wer in diesem Fall rechtmäßiger Erbe ist, geht entweder aus der Erbfolge oder einem Testament hervor und ist somit erbrechtlich geregelt.
Was mit Domains passiert, wenn der Inhaber verstirbt
Auch wenn die rechtliche Lage eindeutig ist – auf die Domain in der Erbmasse muss erst mal jemand stoßen. Stirbt ein Domain-Besitzer und kümmert sich niemand um die nun brachliegenden Internetadressen, verfällt deren Registrierung irgendwann und jemand anderes kann sie sich neu registrieren. Es handelt sich dann um bei Domain-Händlern und für das Domain-Flipping beliebte Expiring oder Expired Domains.
Sorgen Sie also auf jeden Fall vor und animieren Sie auch ihre Verwandten dazu. Entsprechende Dokumente sind bestenfalls samt Zugangsdaten in einem Safe oder einem Bankschließfach zu hinterlegen. Oder bevollmächtigen Sie gleich einen Juristen mit der (gebührenpflichtigen) Verwaltung ihrer Daten.
Ist der digitale Nachlass als Teil des kompletten Erbes bekannt, muss der Erbe seine Erbenstellung gegenüber der notwendigen Stelle nachweisen, um die Domain formal in Besitz zu nehmen. Das kann entweder der zuständige Provider oder zum Beispiel die für .de-Domains zuständige zentrale Registrierungsstelle DENIC sein. Anschließend wird der neue Domain-Inhaber in der DENIC-Datenbank eingetragen. Alternativ besteht für den Erben natürlich die Möglichkeit, die Domain zu löschen oder auf einen Dritten zu übertragen.
Zu unterscheiden ist zwischen Inhaber und administrativem Ansprechpartner. Der sogenannte Admin-c ist nicht vererbbar und muss neu benannt werden, sobald der Domaininhaber wechselt.