Der Einsatz einer einprägsamen Internetadresse ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Unternehmen im Online-Business. In fast jeder Werbung findet man den Domainnamen des Unternehmens oder eines unternehmenseigenen Produktes aufgeführt. Entweder in Verbindung mit .de, oder je nach globaler Ausrichtung und Herkunft auch unter .com. Doch seit wenigen Monaten kann man weltweit eine beunruhigende Entwicklung beobachten: Immer häufiger rückt der Domain-Name in der Werbung in den Hintergrund.
Insbesondere Domainnamen von Unternehmen, die sich als Trendsetter verstehen und auf den „Social Media“-Zug aufspringen wollen. Da werden Facebook- und Twitteradressen, sowie iPhone-Applikationen beworben. Teilweise wird man sogar dazu angeleitet, wie der Suchbegriff bei einer Suchmaschine wie z. B. Google aussehen muss, damit man ans Ziel kommt. Auch vorhandene Webseiten und bereits bestehende, klassische Kommunikationswege werden dazu genutzt, diese neuen Kanäle zu bewerben .
Ich habe mich selbst dabei erwischt, dass ich dieses Verhalten in meiner Firma Sedo gefördert habe, beseelt von dem Gefühl, dadurch ein Trendsetter zu sein. Daher promoten wir nicht nur unseren eigenen Firmennamen Sedo.de (respektive Sedo.com, für dessen Domainkauf wir 2003 etwa 80.000 USD investierten), sondern auch unseren Twitter-Account (twitter.com/sedoDE) und unser Facebook-Profil (facebook.com/sedo). Wir schalten darüber hinaus für das Keyword “Sedo” Werbung auf Google, Yahoo und Bing. Unsere eigens entwickelte iPhone Applikation wird in Kürze erscheinen. Wir haben uns so sehr auf diese Bemühungen versteift, dass wir, wie so viele andere Unternehmen auch, die Gefahren aus den Augen verloren haben.
Wir machen uns abhängig
Das Problem ist folgendes: Es ist schick und modern, all diese bereits erwähnten Kanäle zusätzlich für Werbezwecke und Kunden-Interaktion zu nutzen. Doch schaut man hinter die Fassade von Web 2.0/Social Media, ist es schlichtweg falsch und gefährlich, hauptsächlich diese Kanäle als Zulieferer von Usern zu verwenden. Was folgt, ist Kontrollverlust, Abhängigkeit, hohe Kosten die auf einen zukommen und im Extremfall sämtliche Gewinne eines Unternehmens auffressen können. Unternehmen, die ihr Marketing-Gebaren komplett nach den Web-Giganten wie Facebook, Google oder Apple richten, legen das eigene Schicksal in die Hände dieser Provider.
Dabei können folgende 3 Szenarien eintreten:
1) Die Provider können jedes Unternehmen eigenmächtig ausschließen, mit oder ohne Begründung. Ich möchte an dieser Stelle an die Vorgehensweise von Apple erinnern, bei der sämtliche Apps mit erotischem Inhalt entfernt wurden. Auch wenn sich über das Für und Wider von Erotikinhalten streiten lässt, zeigt dieses Vorgehen, wie abhängig ein gesamter Wirtschaftszweig vom Verhalten eines Branchenriesen ist.
2) Die Provider können pleitegehen, und es gibt keine ordnungspolitische Regelung für „den Tag danach“. Sie halten das für unwahrscheinlich? Erinnern Sie sich an FortuneCity oder Geocities? Das waren einst sehr gehypte Vorgänger der Social Communities kombiniert mit einem einfachen Webseiten-Hosting. Stellen Sie sich einfach Facebook ohne das Jeder-kennt-Jeden-Prinzip und in einer Zeit mit weitaus niedrigerer Internet-Nutzung vor. Nichtsdestotrotz wurde GeoCities im Jahr 2009 von Yahoo eingestampft – nachdem sie es 10 Jahre zuvor für den Riesenbetrag von 2,87 Milliarden USD erworben hatten.
3) Die größte Gefahr: Die Provider können und werden ihre Profite maximieren, sobald eine kritische Masse erreicht ist! Wechselhürden (sog. Switching costs“) entstehen und Profit-Ziele werden den Wachstumszielen folgen. Wenn Ihr Unternehmen 1 Million Facebook Fans oder Follower bei Twitter hat, wie wird Ihre Ausgangslage bei Verhandlungen sein, wenn der Provider auf einmal hohe Gebühren verlangen wird? Wenn Sie eine hohe Nutzeranzahl für Ihre iPhone App haben, wie sieht Ihre Verhandlungsposition aus, wenn Apple auf einmal eine höhere Gewinnbeteiligung verlangt? Wenn Sie Ihre Geschäfte hauptsächlich über Google machen, wie wird Ihre Verhandlungsposition aussehen, wenn Sie auf einmal nicht mehr in der organischen Suche gelistet werden, Google Ihnen aber anbietet, dass Sie für eine bestimmte Gebühr in der bezahlten Werbung erscheinen könnten?
Alle oben erwähnten Bedrohungen sind realistisch, und trotzdem scheinen sie bei all dem Hype unterzugehen.
Vermeiden Sie geschlossene Systeme
Wer sein Online-Business hauptsächlich auf dem Rücken von Facebook, Twitter, Google oder Apple aufbaut, baut sein Eigentum auf einem gemieteten Grundstück auf, dessen Kontrolle der Grundstücksbesitzer hat. Eines Tages könnten Sie zu hören bekommen: „Vielen Dank, dass Sie dieses prächtige Hotel auf meinem Grundstück aufgebaut haben, Ihre Miete erhöht sich nun von 1 US-Dollar monatlich auf 100.000 US-Dollar pro Jahr.“
Die Zeitschrift FHM kündigte erst kürzlich an, die eigene Domain fhm-magazin.de aufzugeben. Geht man heute auf fhm-magazin.de, landet man tatsächlich auf der bei Facebook eingerichteten Profilseite. Kurzfristig eine gute PR für FHM, aber langfristig gedacht der falsche Schritt, denn Facebook hat viele Einschränkungen: Erst kürzlich wurde entschieden, dass man von seinem Profil aus nicht mehr auf andere Institutionen ( Schulen, Universitäten, Firmen) verlinken kann, sondern nur auf das jeweilige Facebook-Profil der Institution, falls vorhanden. Prinzipiell versucht man hier, das proprietäre (geschlossene) System beizubehalten.
Sorgen Sie dafür, dass Ihnen das nicht passiert. Setzen Sie bei der Navigation und Adressierung auf offene Systeme und meiden Sie proprietäre Systeme:
Offen | Proprietär | |
Navigation | Domain-Namen | Google/Search |
Kommunikation | Facebook,Social Platforms | |
Information | RSS | |
Operating Platform | HTML (+ PHP & MySQL) | iPhone Apps |
Wenn Sie ein Profil auf Facebook und einen Twitteraccount mit dem richtigen Namen haben, haben Sie zumindest vorgesorgt, dass Ihnen kein Konkurrent den Begriff streitig machen kann. Setzen Sie diese Kanäle entsprechend sinnvoll ein, zeigen Sie damit, dass Sie für neue und innovative Kommunikationswege offen sind. Doch Ihr Domainname ist der wichtigste Baustein für Ihr Online-Business. Und das sollten Sie den Usern durch Ihre Marken- und Marketing-Kommunikation zeigen.
Von Tim Schumacher, CEO der Sedo GmbH und Vorstand der Sedo Holding AG